Donnerstag, 4. September 2014

Entre Act — Grenzwertiges, Ethik & Co.

18.08.2014
Am Mittwoch, 13.08.2014, gebe ich mein schriftliches Einverständnis zu den «Zwangsmassnahmen», das heisst, dass das Klemm-Tischchen am Rollstuhl befestigt wird, um einen Sturz aus dem Rollstuhl zu verhindern, und für das Bettgitter, um einem Sturz aus dem Bett vorzubeugen. Auf dem entsprechenden Formular bringe ich deutlich beim Klemm-Tischchen den Vorbehalt an, dass ich nicht mehr will, dass Mutter stundenlang allein im Rollstuhl sitzen gelassen werde.
Diesen Vorbehalt erläutere ich persönlich gegenüber der Stationsleiterin wie gegenüber der Heimleiterin.

Weil die Stationsleiterin eine komplett andere Auffassung über die Rollstuhl-Mobilisation hat, schreibe ich am Freitag, 15.8.2014, eine Mail an die Heimleiterin und frage sie, ob sie dereinst so sterben möchte.

Am Montag, 18.8.2014, vormittags, erhalte ich die Mailantwort der Heimleiterin, die mir in allen Punkten recht gibt. Und mich zudem fragt, ob ich mit subkutanen Morphium-Abgaben einverstanden wäre. Als Erklärung fügt sie an, dass das Reserve-Morphium über das Wochenende nicht gereicht habe.
Bei mir taucht die Frage auf: War ein Vorfall am Wochen-Ende?

Am Bett stelle ich dann fest:
1.     Auf der Liste «Mobilisation Rollstuhl» steht, dass Mutter am 16.8.14 (Samstag), von 11:30 12:15 Uhr im Rollstuhl war.
2.     Im Lagerungsplan dagegen ist für den 16.8.14 mit einer Fussnote vermerkt, dass Mutter bis 15 Uhr im Rollstuhl sass!
Aha, darum also die akute Verschlimmerung...!

Bedenkt man, dass I. als Folge des Morbus Parkinson keine Muskeln mehr hat, am ganzen Körper total verkrampft, weitgehend versteift, halbseitig gelähmt und bis auf die Knochen abgemagert ist, sie ihr Gewicht also mit dem blossen Skelett aufrecht halten muss, dann ist dieses lange Sitzenmüssen nichts anderes als Folter!

Von den Pflegenden höre ich, dass Mutter jeweils böse reagiere, wenn man sie ins Bett legen wolle. Darum lässt man sie zeitweise sitzen, bis sie selber nicht mehr kann.

Zugegeben, meine Mutter ist nach wie vor eine starke Persönlichkeit, mit einem harten Kopf und klaren Vorstellungen, ihrem eigenen Willen, den sie selbstbestimmt umgesetzt haben will.
Zugegeben, die Pflege wie die Betreuung meiner Mutter sind zuweilen eine grosse Herausforderung für alle Beteiligten.
Trotzdem: Weil sie im Augenblick noch nicht ins Bett zurück möchte, sie dann einfach bis zum Zusammenbruch bzw. Schichtwechsel sitzen zu lassen, diese Haltung, so finde ich, gehört nicht in ein Pflegeheim.