Es geht mir im Blog absolut nicht
um meine Psychohygiene — dazu müsste ich ihn nicht veröffentlichen. Nein, es
geht mir darum, Bewusstsein zu schaffen, damit auch jene Menschen wissen, wie
sich unsere «Gesundheitspolitik» auswirkt, die im Moment noch nicht selber
betroffen sind. Solange Missstände totgeschwiegen werden, ändert sich
nichts!
Die heute im Pflegeheim meiner
Mutter herrschenden Zustände sind umso schmerzlicher zu ertragen, als gerade
dieses Heim bis 2012 zu den herausragend geführten Pflegeheimen zählte!
Das, was heute hier geschieht,
geschieht aus rein politischen Gründen. Dass es auch anders gehen könnte, dafür
gibt es glücklicherweise viele Einzelbeispiele. Diese sind jedoch für meine
Mutter und alle solchermassen ausgelieferten Bewohner kein Trost. Im Gegenteil.
Für
mein Empfinden
- Ist es menschenunwürdige Folter, wenn ein gelähmter, erblindeter Mensch über mehrere Stunden vor Getränken sitzen muss, die er alleine nicht erreichen kann.
- Ist es Misshandlung, wenn dieser Mensch, der ja seine Sitzposition nicht alleine verändern kann, mit einem grossen, offenen Dekubitus am Steissbein mehrere Stunden in seinem Rollstuhl ausharren muss, noch dazu ohne Polsterung durch ein spezielles Sitzkissen.
Zugegeben,
die Pflege eines seelisch und körperlich fragil gewordenen, hochbetagten
Menschen ist aufwendig und zuweilen auch anstrengend. Gerade darum lebt er ja in
einer professionellen Institution, von der wir erwarten müssen, dass sie — nicht
nur ökonomisch straff, sondern menschlich gut geführt — ausgewiesene, gut
ausgebildete und charakterlich integre, empathische Fachleute mit der Pflege
betraut.
Die
sharholdervalue-geprägte Sparwut, die in den letzten Jahren unter dem
populistisch wirksamen Titel «Verursacherprinzip» in allen Bereichen unseres
Lebens Einzug hielt, zeigt heute besonders in der Geriatrie ihre
menschenverachtende Fratze. Darunter zu leiden haben ausgerechnet jene
Menschen, für welche die Generationen unserer Grosseltern und Eltern
entsprechende soziale Institutionen geschaffen hatten. Notabene mit viel
weniger Geld, als uns heute zur Verfügung steht und unter viel grösseren
finanziellen Opfern, als sie uns heute abverlangt werden.
Ganz besonders
stossend empfinde ich es, dass es genau diese Generation ist, die sich die
Altersvorsorge und –versorgung am Mund abgespart hatte, die — jetzt hilflos und
bedürftig geworden — unter jenen Zuständen zu leiden hat, die sie ursprünglich
verhindern wollte!
Umso
heuchlerischer und anmassender mutet das Geschrei jener Moralisten an, die
nicht müde werden, in der aktuellen, wichtigen Diskussion um den
altersbedingten «Bilanz-Suizid» (welch ein menschenverachtender Begriff! —Mein
persönliches Unwort des Jahres!), die sogenannte «Palliative Pflege» zu loben,
mit der es heutzutage für alle Menschen zumutbar geworden sei, die auferlegten
Lasten von Alters- und Krankheitsbeschwerden gottgewollt zu ertragen!
Keine Frage: Die
Gefahr, dass die diskutierte Möglichkeit aufgrund des zunehmenden
gesellschaftspolitischen (Kosten-)Drucks zum individuellen Müssen mutiert, ist
im heutigen Zustand der fortlaufenden, sharholdervalue-orientierten, lieblosen
Entsolidarisierung nicht von der Hand zu weisen.
Aus verschiedenen
Gründen bin ich grundsätzlich keine Befürworterin von Suiziden. Trotzdem
erscheint mir heute, mit 62 Jahren und im Blick auf das eigene Altwerden, die
in jungen Jahren lebenslänglich abgeschlossene Mitgliedschaft bei EXIT als ein
wenigstens tröstlicher Silberstreifen am Horizont. Bleibt zu hoffen, dass mir
eine solche letale Entscheidung erspart bleiben möge...
Als humanistisch
aufgeklärte Gesellschaft sind wir daran, inbezug auf Menschenleben ein
gefährliches Terrain zu betreten. Diesbezüglich zeigen auch Quervergleiche mit
pränatalen Voruntersuchungen und der Auswahl «würdiger» Embryonen zu verschiedenen
Zwecken in eine erschreckende Richtung!
Anfang und Ende
eines Menschenlebens drohen zur gesellschaftspolitisch planbaren Manipulationsmasse
zu verkommen...
Ein berühmter
Denker drückte es einmal so aus: «Das, was die Menschheit den Tieren antut, tut
sie früher oder später auch den Menschen an. Vermutlich eher früher als
später.» —